
Jul 21, 2025
„Wie lang darf ein CV sein?“ – Eine typische Freelancer-Frage, die keiner genau beantworten kann
Neulich in einem Slack-Channel für Freelancer:innen im DACH-Raum ging’s wieder mal ums Thema Lebenslauf. Oder besser gesagt: Wie viel ist zu viel? Und wann ist zu wenig eigentlich genau richtig?
Ich hab beim Lesen direkt wieder an meinen eigenen CV gedacht. Der hat inzwischen mehr Versionen gesehen als mein Spotify-Algorithmus Lieblingslieder. Und ehrlich: Ich hab mich früher oft gefragt, ob ich das alles so überhaupt zeigen darf. Die Antworten aus der Diskussion waren spannend – widersprüchlich, aber hilfreich.
1. Zwei Seiten? Drei? Sechs? – Alles eine Frage des Formats
Der Einstieg kam von jemandem mit ziemlich vielen Stationen im Lebenslauf: Industrie, Uni, Forschung, Selbstständigkeit. Ein bunter Mix. Die Frage: Wie viele Seiten darf so ein Ding haben?
Die Meinungen reichten von „kurz und knackig“ bis „wenn’s relevant ist, dann halt auch mal 14 Seiten“.
Klingt nach Overkill? Vielleicht. Aber jemand meinte ganz trocken: „Mein Profil hat aktuell 6 Seiten – und ist nicht mal besonders ausführlich.“
Ich musste lachen. Mein längster CV war mal sieben Seiten lang. Ich hab ihn nie abgeschickt – und inzwischen frage ich mich: Vielleicht hätte ich’s einfach tun sollen.
2. Die erste Seite muss sitzen
Was aber wirklich alle betonten: Die erste Seite ist entscheidend.
Das ist dein Pitch. Kein Ort für Studienabschlüsse von 2008 oder alte Ehrenämter.
Wichtig ist: Titel klar (z. B. „Senior Data Scientist / Solution Architect“ statt nur „Freelancer“), ein knackiger Profiltext, eine Tech-/Tool-Übersicht. Der Rest darf später kommen – aber wer nach Seite 1 nicht weiß, was du machst, liest auch Seite 2 nicht mehr.
3. Alte Projekte? Papers? Ehrenamt? – Nur wenn’s passt
Ein Thema, das immer aufkommt: Was bleibt drin, was fliegt raus?
Beispiel: Papers aus der Forschung. Die Meinung war ziemlich klar: Wenn du als DevOps arbeitest, interessiert sich niemand für ein altes Paper über lineare Optimierung.
Eine gute Idee kam von jemandem mit Forschungshintergrund: Fachpublikationen lieber mit kurzem Kontext und Link versehen statt mit vollständigem Zitat. Wer’s wissen will, klickt drauf. Der Rest bleibt ungestört.
Mein eigener Trick: Bei jedem Abschnitt im CV fragen:
Hilft das, mich schneller einzuordnen?
Wenn nicht – raus damit. Oder ab in den Anhang.
4. Forschung im CV? Kommt drauf an
Viele aus der Community kommen aus der Forschung – und kämpfen mit der Frage, wie das im CV ankommt.
Klartext: Oft nicht besonders gut.
Man traut Leuten aus der Forschung selten zu, dass sie unter Zeitdruck oder mit Budgetgrenzen umgehen können. Das mag unfair sein – ist aber Realität.
Das heißt nicht, dass man Forschung verschweigen sollte. Sondern: Übersetzen.
Nicht: „Ich habe zu XY geforscht.“
Sondern: „Ich habe in interdisziplinären Teams Prototypen gebaut, Prozesse strukturiert, Ergebnisse umgesetzt.“
Am besten in einer Sprache, die in der Industrie funktioniert – ohne akademischen Nebel.
5. Was wirklich zählt: Umsetzbarkeit + Glaubwürdigkeit
Egal ob Forschung, Agentur oder Konzernkarriere: Am Ende zählt, was du heute umsetzen kannst.
In der Diskussion meinte jemand sinngemäß:
„Was man wirklich kann und was man glaubhaft vermitteln kann, sind zwei Paar Schuhe.“
Und genau darum geht’s beim CV: Zeig nicht einfach alles, was du je gemacht hast – sondern das, was du heute gut kannst. Und zwar so, dass es glaubwürdig ist.
Real Life statt Buzzwords. Beispiele statt Behauptungen. Links, Projekte, Vorträge, Repos – alles, was zeigt: Das kann ich, und zwar jetzt.
Fazit: Der perfekte CV ist nicht perfekt – aber ehrlich
Du kannst deinen Lebenslauf nicht für alle gleichzeitig schreiben. Aber du kannst ihn so gestalten, dass er zu dir passt – und den Auftraggeber:innen das zeigt, was sie wissen wollen.
Wenn du aus der Forschung kommst: Zeig nicht nur Ergebnisse, sondern wie du gearbeitet hast.
Wenn du viele Branchenwechsel hattest: Zeig den roten Faden, der dich durchzieht.
Und wenn du auf Seite 3, 4 oder 5 zweifelst – frag dich:
Ist das hier wirklich relevant?
Wenn ja: Lass es drin. Wenn nein: Raus damit.